RVS sind die wichtigsten Richtlinien für Umgestaltungsprojekte. Wir erklären, welche es gibt, wo man sie findet und wie man sie anwendet, am Beispiel für Radverkehrsplanung.
Die Richtlinien und Vorschriften für das Straßenwesen (RVS) sind in Österreich unverzichtbar für die Planung von Verkehrsinfrastrukturen. Herausgegeben von der Forschungsgesellschaft Straße – Schiene – Verkehr (FSV) repräsentieren sie den technischen Standard im Straßenwesen und verschiedenen Infrastrukturbereichen. Die Richtlinien sind damit maßgeblich für Planer:innen, Ingenieur:innen, Baufirmen sowie Verwaltungen und bilden das Rückgrat für Verkehrsplanungsprozesse.
Wie komme ich zu den Richtlinien?
Insgesamt hat die FSV bereits über 300 Dokumente veröffentlich, weitere sind in Ausarbeitung. Über klimaaktiv mobil wurden 11 RVS-Merkblätter und Arbeitspapiere zu aktiven Mobilitätsformen kostenfrei zur Verfügung gestellt (https://www.klimaaktiv.at/mobilitaet/radfahren/rvs.html), darunter zu den Themen Fuß- und Radverkehr, kinderfreundliche Mobilität oder auch Verkehrsberuhigung. Abgesehen davon sind die meisten RVS-Publikationen allerdings kostenpflichtig, was das öffentliche Verständnis für planerische Entscheidungen beschränken kann. Auf der FSV-Seite gibt es einen Shop, in dem die Dokumente als Heft oder Download erworben werden können. Einige RVS-Richtlinien sind zusätzlich zur Deutschen Ausgabe auch auf Englisch verfügbar.
Welche unterschiedlichen RVS gibt es?
Die Richtlinien sind nicht per se verbindlich, können aber vom Verkehrsministerium für verbindlich erklärt werden. Es werden drei Arten unterschieden:
- RVS-Richtlinien: haben bindenden Charakter für Bundesstraßen und auf Landesebene und werden auf Kommunalebene empfohlen; sie werden einem Begutachtungsverfahren unterzogen.
- RVS-Merkblätter: haben empfehlenden Charakter für die Bundes-, Landes- und Kommunalebene; sie werden ebenfalls einem Begutachtungsverfahren unterzogen.
- RVS-Arbeitspapiere: sind Leitlinien in der Verantwortung der Arbeitsausschüsse und -gruppen, z.B. für die Darlegung des Standes des Wissens, Hinweise für Anwendende oder allgemein interessante Berichte.
Umgang mit RVS am Beispiel von Radverkehrsplanung
Bei der Planung von Radverkehrsinfrastruktur dient die entsprechende RVS „03.02.13 Radverkehr“ beispielsweise dazu, die richtigen Breitenanforderungen, Sicherheitsabstände und Anlagenform je nach Situation auszuwählen. Relevante Kriterien sind dafür beispielsweise die Verkehrsstärken (Fußgänger:innen, Radfahrer:innen, Kfz-Verkehr), da diese darüber entscheiden, ob der Radverkehr gemischt oder getrennt geführt wird. Die Frequenz der Radfahrenden entscheidet zudem über die Breite der Anlage – so muss eine Infrastruktur entlang einer Hauptroute im Zweirichtungsradweg mindestens 3,30 Meter vorsehen, während auf einer Erschließungsroute in der Regel 2,60 Meter ausreichend sind (beide Angaben zuzüglich Schutzstreifen).
Neben den Inhalten innerhalb der RVS Radverkehr ist aber auch der Blick in andere Richtlinien erforderlich, beispielsweise wenn es bei der Planung der Radverkehrsanlage zu einer Redimensionierung der Fahrbahn kommt – dann ist der Blick in die „RVS 03.04.12 Planung und Entwurf von Innerortsstraßen“ wichtig, um die erforderlichen Breitenangaben in der Planung berücksichtigen zu können. Für das Sicherstellen von Barrierefreiheit an Querungsstellen ist wiederum die „RVS 02.02.36 Alltagsgerechter barrierefreier Straßenraum“ heranzuziehen.
Wie entstehen die RVS Richtlinien?
Die Richtlinien und andere Publikationen werden in Arbeitsausschüssen und Arbeitsgruppen erarbeitet, in denen Fachleute aus Verwaltung, Wissenschaft, Planung und Bauausführung sowie weitere Sachverständige mitarbeiten. Sie basieren auf technischen Standards, Erfahrungen aus der Praxis sowie rechtlichen Rahmenbedingungen. Die Beteiligten werden namentlich in den Publikationen angeführt, es ist jedoch nicht immer transparent und nachvollziehbar wer in den Gruppen teilnehmen und mitbestimmen darf. In Deutschland gibt es ein ähnliches System der FGSV, das aufgrund dessen in einem Diskussionspapier der TU Berlin stark kritisiert wurde. Die Autoren argumentieren, dass die Diversität der Gesellschaft nicht im Entscheidungsprozess abgebildet ist. In Beitrag „Regelwerke und die Verkehrswende: Teil der Lösung oder Teil des Problems“ gibt es dazu mehr Informationen.
Relevante RVS-Publikationen für die Transformation öffentlicher Mobilitätsräume
Frei zugängliche RVS (hier):
- RVS 02.01.11 Grundsätze der Verkehrsplanung
- RVS 02.02.36 Alltagsgerechter barrierefreier Straßenraum
- RVS 03.02.12 Fußgängerverkehr
- RVS 03.02.13 Radverkehr
- RVS 03.04.13 Kinderfreundliche Mobilität
- RVS 03.04.14 Gestaltung des Schulumfeldes
- RVS 04.02.13 Verkehrsberuhigung – Auswirkungen auf die Lärm- und Luftschadstoffbelastung
- RVS-Arbeitspapier 27 – Einsatzkriterien für Begegnungszonen
- RVS-Arbeitspapier 28 – Fachliche Grundlage für Flächenbeschichtungen auf Radwegen und sonstigen Verkehrsflächen
- RVS Arbeitspapier Nr. 36 – Grünpfeil für Radfahrer (2023) Einsatzkriterien für die Zusatztafel mit Grünpfeil für den Fahrradverkehr
- SV-Schriftenreihe Heft Nr. 25 (2023) – Ein neuer Ansatz für höchstzulässige Geschwindigkeiten im Straßenverkehr in Österreich aus synergetischer, nachhaltiger Sicht
Ebenfalls relevant aber nicht frei zugänglich (kostenpflichtig hier):
- RVS 02.02.36 Alltagsgerechter barrierefreier Straßenraum
- RVS 02.02.37 Geschwindigkeitsbeschränkungen
- RVS 03.04.11 Gestaltung öffentlicher Räume in Siedlungsgebieten
- RVS 03.04.12 Planung und Entwurf von Innerortsstraßen
- RVS 03.07.11 Organisation und Anzahl der Stellplätze für den Individualverkehr