Baustellen als Window of Opportunity – IKEA-Umfeld am Westbahnhof

Foto des Gebiets an der Hinterseite des Westbahnhofs mit viel Grün und Blick auf IKEA-Gebäude
© Barbara Laa
  1. Wien, Rudolfsheim-Fünfhaus

Baustellen sind mehr als nur Lärm und Staub – sie können auch Veränderung ermöglichen. Der Bau des IKEA am Wiener Westbahnhof zeigt, wie nachhaltige Stadtentwicklung gelingt: Ein innovatives Mobilitätskonzept, neue Grünflächen und mehr Platz für Fußgänger:innen haben das Viertel nachhaltig verändert.

Wenn wir Straßen und Plätze transformieren, erfordert das in der Regel Baustellen. Die stören uns, behindern unsere Wege, machen Lärm und Staub, stoßen Abgase aus, können gefährlich sein. Besonders Großbaustellen sind Orte heftiger Umweltbeeinträchtigung. Wir können sie aber auch positiv wahrnehmen, als Orte der Transformation zum Besseren. Wie kann man Baustellen so organisieren, dass sie nicht nur nachhaltiger werden, sondern auch Transformationsprozesse in Gang setzen? Ein Beispiel dafür ist der Bau des IKEA am Wiener Westbahnhof.

Baustellen als Orte um Transformation zu verwirklichen

Der Bau des IKEA in Wien ist eines der Beispiele, wie Neubauten Transformationsprozesse in Gang setzen können. Zu Beginn stand die Überlegung ein völlig neues Konzept einzuführen. Dieses Konzept ist gänzlich auf Fußgänger:innen, ÖV-Nutzer:innen und Radfahrer:innen ausgerichtet. Einkäufe sollen auch ohne eigenen PKW möglich werden, wer möchte, kann sich aber auch eines Zustelldienstes bedienen und einstweilen die Einkäufe in eigens dafür vorgesehenen Schließfächern im Store verstauen.

Wir wagen dieses Experiment, weil sich das Kundenverhalten und auch die Mobilitätsgewohnheiten rasant verändert haben

Rodolphe de Campos, Country Finance Manager bei IKEA Österreich

Interview mit der Presse [1]

Durch den Bau des IKEA nahe des Westbahnhofs wurde aber auch eine Umplanung der umliegenden Straßen angestoßen. Der Transformationsprozess startete bereits während des Baus des Gebäudes. Anrainer:innen stimmten in einem Partizipationsprozess für wesentliche Änderungen in der näheren Umgebung. Als Wünsche wurden viel Begrünung, viel Platz für Fußgänger:innen und Radfahrer:innen und eine Reduktion der Flächen für den motorisierten Individualverkehr genannt [2].

Durch die umgesetzten Baumaßnahmen entstand hinter dem IKEA Gebäude entlang der Langauergasse ein Park mit neuen Sitzbänken & Bäumen. Der Parkplatz für Pkws wurden entfernt. Zusätzlich wurden entlang der Gasgasse mehrere Bäume gepflanzt.

Die Stanglgasse wurde von einer Wohnstraße zu einer Fußgängerzone umfunktioniert. Ums Eck davon wurde der Friedrichplatz, welcher sich zwischen einer Volkschule und dem Bezirksamt befindet zu einer Fußgängerzone erweitert. Es wurden Bäume gepflanzt und neue Sitzgelegenheiten errichtet. Der Bodenbelag wurde von Asphalt, zum Schutz vor Hitze, zu einem hellen Pflastersteinbelag getauscht.

© Stadt Wien, MA 28 – Straßenverwaltung und Straßenbau [5].

Landkarte mit markierten  umgebautem Platz und Straßen

In einem Bezirk mit wenig öffentlichen Grünflächen und nicht signifikantem hohen Anteil an motorisierten Individualverkehr sind gerade solche Maßnahmen, die Radfahrer:innen und Fußgänger:innen in den Vordergrund bringen, von großer Wirkung [3].

Fortlaufende Transformation des nähern Umfeldes

Im Frühjahr 2024 wurde bekannt, dass eine Verkehrsberuhigung der angrenzenden äußeren Mariahilferstraße umgesetzt wird. Die Straße wird zu einer Einbahnstraße stadtauswärts für den Kfz-Verkehr umgebaut, ein breiter baulich getrennter Fahrradstreifen wird ergänzt, die Gehsteige werden verbreitert und Bäume gepflanzt. Die Straßenbahnen behalten ihren eigenen Gleiskörper. Diese Umbauten werden zudem mit notwendigen Sanierungsarbeiten der Wasserleitungen kombiniert. Das Grätzl wird zusätzlich im Laufe der Bauarbeiten auch an das Fernwärmenetz angebunden. Der Umbau des 1. Abschnittes startet Sommer 2024 [4].

Gerade Sanierungen von öffentlichen Infrastrukturen bzw. deren adäquater Aus- und Umbau in Bezug auf die Energiewende, wie beispielsweise die Erneuerung von Wasser-, Telekommunikations- und Stromleitungen bieten die Gelegenheit Straßenräume zeitgleich zu klimaangepassten und attraktiven Mobilitätsräumen  zu transformieren. Darüber hinaus können so außerdem finanzielle als auch Material-Ressourcen geschont werden, da unterschiedliche Maßnahmen im gleichen Zeitraum durchgeführt werden können und der Straßenraum nur einmal aufgegraben werden muss. Der IKEA am Westbahnhof ist ein Beispiel wie ein einzelnes Bauprojekt die Transformation eines ganzen Grätzels forcieren kann. Hier geht es nicht nur darum den Bauprozess selbst nachhaltiger zu gestalten, sondern darum Weichen für eine zukunftsfitte Gestaltung der Mobilität in der Stadt für die Zukunft zu stellen. Wenngleich der Bau des IKEA keinesfalls friktionsfrei verlaufen ist, sind dennoch die damit einhergehenden Anstöße der Transformation öffentlicher Räume positiv hervorzuheben.

Jegliche Baustellen können für die Bewohner:innen und Nutzer:innen auch Transformationsprozesse in Gang setzen, die sonst nicht möglich wären. Jede Änderung in festgefahrenen Strukturen hat das Potential zur Verbesserung. Unsere (neu) gebaute Umgebung wird attraktiver, nachhaltiger und unsere Infrastruktur grüner und durch Nutzung von Synergieeffekten wird dies möglichst ressourcenschonend erzielt.

Beteiligte

  • Bezirk Rudolfsheim-Fünfhaus (15. Bezirk)
  • Klimaschutzbeauftragter 15. Bezirk: Beteiligung, Consulting
  • Stadt Wien MA28: Planung Straßenräume
  • Stadt Wien MA42: Planung Friedrichsplatz
  • PlanSinn Planung und Kommunikation GmbH: Beteiligung, Aufbereitung Gestaltungskonzept
  • tilia staller.studer OG Landschaftsplanung: Planung Langauerplatz

Links:

  1. [1] DiePresse.com, Rudolf, Tanja (4.8.2021): Auf der Baustelle: Rundgang bei Ikea Wien Westbahnhof. DiePresse.com
  2. [2] Stadt Wien (2024): Stadtplanung. Westbahnhof IKEA – Verkehrsberuhigung im IKEA-Umfeld. Online verfügbar unter: https://www.wien.gv.at/stadtplanung/ikea-westbahnhof, abgerufen am 13.06.2024
  3. [3] Stadt Wien, Magistratsabteilung 23 – Wirtschaft, Arbeit und Statistik (2024): Pkw-Bestand nach Automarken seit 2011 – Bezirke Wien 10.06.2024. Online verfügbar unter: https://www.data.gv.at/katalog/dataset/a9c194f6-5df5-4f7d-9e43-b0dcf62ac8e1#views, abgerufen am 13.06.2024
  4. [4] Stadt Wien (2024). Die Äußere Mariahilfer Straße wird umgestaltet und klimafit 2024. Online verfügbar unter: https://www.wien.gv.at/verkehr-stadtentwicklung/aeussere-mariahilfer-strasse-konzept.html, abgerufen am 13.06.2024
  5. [5] Stadt Wien (2021): Attraktivierung des „IKEA-Umfeldes“ am Westbahnhof – Verkehrsberuhigung, mehr Grünflächen und neue Bäume. Presse-Service der Stadt Wien. Online verfügbar unter: https://presse.wien.gv.at/presse/2021/09/29/sima-zatlokal-attraktivierung-des-ikea-umfeldes-am-westbahnhof-verkehrsberuhigung-mehr-gruenflaechen-und-neue-baeume, abgerufen am 13.06.2024
  6. [6] VCÖ (2023): Mobilitätsprojekte. Lebenswertes Westbahngrätzel. Online verfügbar unter: https://mobilitaetsprojekte.vcoe.at/lebenswertes-westbahngrtzel-2023, abgerufen am 13.06.2024