Beteiligung? Ja, aber richtig!

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Beteiligung, Partizipation, Mitgestaltung – es gibt viele unterschiedliche Formate zur Einbeziehung der Bevölkerung in Planungsprozesse. Diese sind auch bereits bei vielen Planungen gelebte Praxis. Dabei treten jedoch oftmals wiederkehrende Probleme auf, etwa, dass ohnehin nur bestimmte Gruppen teilnehmen, es sich nur um Schein-Prozesse handelt oder die Planungsergebnisse trotz Beteiligungsverfahren nicht auf entsprechende Akzeptanz stoßen.

Beteiligungsprozess ohne gewünschte Wirkung – wie kommt es dazu?

Es gibt unterschiedliche Gründe, weshalb Beteiligungsprozesse nicht wie gewünscht zur Zielerreichung beitragen können bzw. im Umkehrschluss, Aspekte, die es für eine wirksame Gestaltung von Beteiligung zu beachten gilt (vgl. GesBiT, 2019; Philipp, 2021; Dörflinger, 2021).

  • Unklare Ziele und Handlungsspielräume: Es ist wichtig, klare Ziele für den Partizipationsprozess zu setzen und sicherzustellen, dass diese Ziele während des gesamten Prozesses verfolgt werden. Dabei ist auch die Festlegung der jeweils unterschiedlichen Entscheidungsmöglichkeiten und -spielräume für verschiedene Personengruppen (bspw. Anrainer:innen, Entscheidungsträger:innen, Expert:innen) wichtig.
  • Mangelnde Ressourcen: Oftmals werden Partizipationsprozesse ohne ausreichende Ressourcen durchgeführt. Diese sind jedoch notwendig, um sicherzustellen, dass die Teilnehmenden angemessen informiert und unterstützt werden können.
  • Mangelnde Flexibilität und zeitliche Beschränkungen: Partizipationsprozesse erfordern Zeit, um effektiv zu sein. Schnelle Entscheidungen können zu überstürzten oder unüberlegten Ergebnissen führen. Partizipationsprozesse sollten möglichst flexibel gestaltet werden und sich an veränderte Umstände anpassen können.
  • Mangelnde Transparenz: Ein häufiger Fehler besteht darin, den Prozess nicht ausreichend transparent zu gestalten. Die (potenziell) Beteiligten müssen verstehen, worum es im Partizipationsprozess geht, wie Entscheidungen getroffen werden und wie sie selbst Einfluss nehmen können.
  • Tokenismus: Ein weiterer Fehler ist, Menschen in den Partizipationsprozess einzubeziehen, ohne ihre Meinungen und Beiträge ernsthaft zu berücksichtigen. Etwa wenn marginalisierte Personen (ungewollt) eine Alibifunktion innerhalb von Gruppen einnehmen. Diese als „Token“ bezeichneten Personen werden nicht als Individuen betrachtet, sondern nur als Repräsentant:innen der jeweiligen Gruppe. Es erfolgt eine Reduktion der Personen auf die damit verbundenen scheinbaren Identitätskategorien und in weiterer Folge eine Instrumentalisierung der Individuen. Die gesamte Gruppe stellt sich als divers und offen dar, benutzt jedoch diese Personen nur dazu ihre eigene Machtposition zu stärken und sich selbst unangreifbar zu machen. 
  • Nicht auf Rückmeldungen reagieren: Einer der gravierendsten Fehler besteht darin, auf die Rückmeldungen und Meinungen der Teilnehmenden nicht angemessen zu reagieren. Wenn Menschen das Gefühl haben, dass ihre Meinung nicht wahrgenommen wird und ihre Beteiligung keine Auswirkungen hat, verlieren sie das Interesse an zukünftigen Prozessen.
  • Fehlende Rückkopplung: Nach Abschluss des Partizipationsprozesses sollten die Teilnehmer:innen über die Ergebnisse und die Umsetzung informiert werden. Hierbei ist auf eine adäquate Kommunikation zu achten, denn falls die Ergebnisse beispielsweise nicht den Erwartungen der Teilnehmer:innen entsprechen, kann das Vertrauen in zukünftige Beteiligungsprozesse untergraben werden.
  • Unzureichende Diversität: Wenn der Partizipationsprozess nicht verschiedene Gruppen und Perspektiven einbezieht, kann dies zu verzerrten Entscheidungen führen und bestimmte Interessen bevorzugen. Es ist wichtig, sicherzustellen, dass der Prozess inklusiv ist und eine breite Vielfalt von Stimmen gehört wird (siehe Blogbeiträge Vielfältige Perspektiven, robuste Planung – Warum Diversität wichtig ist und Soziale Selektivität in Beteiligungsprozessen: Die gleichen Gesichter und ihre Ursachen).
  • Mangelnde Einbindung von Expertise: Partizipationsprozesse sollten nicht dazu führen, dass fachliche Expertise ignoriert wird. Es ist wichtig, Fachwissen in den Prozess einzubeziehen, um fundierte Entscheidungen zu treffen. Dementsprechend wichtig ist es vorab zu definieren, wo der Bevölkerung wie die Möglichkeit zur sinnvollen Mitgestaltung und Mitentscheidung gegeben werden kann.

Wie kann erfolgreiche Beteiligung gelingen?

Eine sorgfältige Planung und Umsetzung von Partizipationsprozessen sind grundlegend für den Erfolg eben dieser. Es ist wichtig, Bedenken und Bedürfnisse der Teilnehmenden ernst zu nehmen und ihnen entsprechende Mitsprache- und Entscheidungsmöglichkeiten zu geben. Der Prozess soll Prozess fair, transparent und inklusiv gestaltet sein. Folgende Aspekte helfen dabei einen erfolgreichen Beteiligungsprozess zu planen:

  • Auf klare und leicht verständliche Sprache achten.
  • Klar die Möglichkeiten des Beteiligungsprozess abgrenzen und kommunizieren – was kann im Rahmen des Beteiligungsprozess abgehandelt werden und was nicht.
  • Einfache Visualisierungen helfen, Ideen verständlich zu kommunizieren.
  • Mehrsprachigkeit, nicht nur in Einladungen, sondern auch in allen relevanten Materialien und während der Veranstaltungen
  • Umfassende öffentliche Kommunikation auf verschiedenen Kanälen wie vor Ort (durch Pop-Up Stores & Plakate), aber auch durch Zeitungen, Fernsehen, Briefe und Social Media, um möglichst breite Bevölkerungsgruppen zu erreichen.
  • Barrierefreie Orte und Zugangsmöglichkeiten sicherstellen, um physische Einschränkungen zu minimieren.
  • Nutzung von vertrauten Veranstaltungsorten wie Nachbarschaftszentren oder Schulen, um die Hemmschwelle zur Teilnahme weiter zu senken und eine vertrauensvolle Atmosphäre zu schaffen.
  • Persönliche Gespräche mit den Menschen verdeutlichen häufig erst ihre Betroffenheit und ermöglichen ein Verständnis ihrer persönlichen Selbstwirksamkeit. Sie ermöglichen es außerdem – etwa in Form von aktivierenden Befragungen (siehe Methode Aktivierende Befragung) – Personen für Partizipationsprozesse zu gewinnen, welche sich ansonsten nicht beteiligen würden.
  • Wiederholtes Aufsuchen von Orten, Einrichtungen oder Treffpunkten fördert den Aufbau eines Vertrauensverhältnisses zu den Menschen.

Links:

  1. Philipp, Thomas (15.9.2021): Wer Partizipation sagt, muss nach Machtverhältnissen fragen. Thomas Philipp im Gespräch mit Anita Moser und Stefan Wally. KUPFzeitung 179/2021. https://kupf.at/zeitung/179/wer-partizipation-sagt/, abgerufen am 27.9.2023
  2. Dörflinger, Aliette (15.9.2021): Partizipation – eh klar?. KUPFzeitung 179/2021. https://kupf.at/zeitung/179/3-fragen/, abgerufen am 27.9.2023
  3. GesBiT – Gesellschaft für Bildung und Teilhabe mbH (2019): Handreichung: Habe Mut zu handeln und dich (kritisch) deiner Macht zu bedienen! Qualitätswerkstatt Modellprojekte im Bundesprogramm „Demokratie leben!“,  https://www.gsub.de/fileadmin/user_upload/Dokumente/Projekte/PWQ/QMP_Handreichung_Selbsthilfe_Partizipation_Empowerment.pdf, abgerufen am 27.9.2023
  4. Universität zu Köln (2022): Gender Equality & Diversity: Tokenism. https://vielfalt.uni-koeln.de/antidiskriminierung/glossar-diskriminierung-rassismuskritik/tokenism, abgerufen am 02.10.2023