Durch Beteiligung das Zu-Fuß-Gehen fördern? „LiDo geht“ zeigt wie‘s geht!

Eine Person kniet auf Boden mit großem Stadtplan
© Mobilitätsagentur Wien / Christian Fürthner
  1. Wien, 21. Bezirk (Floridsdorf) und 22. Bezirk (Donaustadt)

Die lokale Bevölkerung zum Zu-Fuß-Gehen motivieren und die Etablierung einer Kultur des Zu-Fuß-Gehens fördern? Planerische Handlungsempfehlungen für den Fußverkehr gemeinsam mit der Bevölkerung entwickeln? Das Projekt „LiDo geht – Links der Donau geht was weiter“ zeigt wie das funktionieren kann.

In einem mehrjährigen Prozess (September 2021 – Juni 2023) wurde in den beiden Wiener Gemeindebezirken Floridsdorf (21.) und Donaustadt (22.) gemeinsam mit der lokalen Bevölkerung die Bedeutung des Zu-Fuß-Gehens erörtert. Die Herausforderung dabei: die beiden Bezirke stellen gemeinsam rund ein Drittel der Gesamtfläche Wiens, somit ergeben sich weite Distanzen und auf den ersten Blick nicht die besten Voraussetzungen für viele Wege, die zu Fuß zurückgelegt werden.
Durch unterschiedliche Maßnahmen und Formate sollte das Ziel erreicht werden, eine Kultur des Zu-Fuß-Gehens zu etablieren.

Das Projekt „LiDo geht – Links der Donau geht was weiter“ setzte sich das Ziel, den Fußverkehr in den beiden Wiener Gemeindebezirken Floridsdorf (21.) und Donaustadt (22.) zu fördern. Insgesamt wurden drei Hauptziele verfolgt, wobei insbesondere der partizipative und kooperative Ansatz im Vordergrund stand:

  • Einerseits die Steigerung der Motivation zum Zu-Fuß-Gehen durch vielfältige Veranstaltungen und Methoden
  • Weiters die Etablierung eines Netzwerkes (LiDo geht Community) zur Förderung der Kultur des Zu-Fuß-Gehens
  • Drittens, die Identifikation von Schwachstellen im Fußwegenetz und Ableitung von planerischen Handlungsempfehlungen

Hierzu wurden unterschiedliche Informationsquellen (qualitativ und quantitativ) zum Fußverkehr in den beiden Bezirken herangezogen sowie in vielfältigen Formaten die Bedeutung des Zu-Fuß-Gehens mit den Bewohner:innen gemeinsam erörtert.

Unterschiedliche Wissensquellen zum Fußverkehr kombinieren

Wissen der lokalen Bevölkerung

Die lokale Bevölkerung weiß meist am besten, wo geeignete Wege zum Zu-Fuß-gehen sind. Neben fehlender oder unzureichend ausgeführter Infrastruktur werden insbesondere Konfliktstellen mit anderen Verkehrsmodi als Probleme für den Fußverkehr wahrgenommen.
Diese Schwachstellen wurden im Zuge des Projektes LiDo geht durch eine app-gestützte Sammlung partizipativ mit der lokalen Bevölkerung erhoben (siehe hierzu auch Methode Crowdsourcing). Als Werkzeug wurde dafür die GehCheck-App verwendet. Diese bietet die Möglichkeit zur Meldung, Kategorisierung und Erhebung von Problemen und Schwachstellen sowie die Verortung auf einer digitalen Karte. Das jeweilige Problem kann textlich beschrieben und mit Fotos ergänzt werden. Die Meldung kann direkt vor Ort, etwa im Rahmen eines Spaziergangs, oder auch nachträglich erfolgen.
Als Ergebnis dieses Prozesses wurden insgesamt über 500 Meldungen gesammelt, welche in weiterer Folge in der Entwicklung von planerischen Handlungsempfehlungen herangezogen wurden.

Mobilfunkdaten

Für eine effektive Förderung und planerisch zielgerichtete Unterstützung des Fußverkehrs braucht es belastbares Wissen hinsichtlich hinderlicher und förderlicher Faktoren des Zu-Fuß-Gehens. Deshalb wurden im Projekt LiDo geht unterschiedliche Informationsquellen kombiniert.
Zusätzlich zu partizipativen Formaten wurde das Thema Fußverkehr in Floridsdorf und Donaustadt aus verkehrswissenschaftlicher Perspektive betrachtet. Mittels statistischer Verfahren wurden Wirkungsmodelle entwickelt, die eine evidenzbasierte Maßnahmenentwicklung ermöglichen, um gezielt zur Förderung des Fußverkehrs links der Donau (LiDo) beizutragen. Durch den Einsatz von Mobilfunkdaten konnten objektivierte Informationen zur Infrastrukturnutzung und Routenwahl erhoben und unterschiedliche Gebiete in ihrer Nutzungsintensität durch den Fußverkehr analysiert werden.

Die entwickelten statistischen Modelle ermöglichen eine Quantifizierung der Zusammenhänge zwischen Fußverkehrszahlen und beeinflussender Faktoren. Dies bietet die Möglichkeit, datengetrieben Stärken und Schwächen im Fußverkehrsnetz sowie Bereiche mit Handlungsbedarf zu identifizieren.

© tbw research (2022)

Die Bedeutung des Zu-Fuß-Gehens erlebbar machen

Die LiDo-Fußwegekarte

Wie kann die Motivation für das Zu-Fuß-Gehen gesteigert werden?

Zu Beginn des LiDo geht Prozesses wurde zur Beantwortung dieser Frage eine Fußwegekarte in kooperativer Vorgehensweise erstellt. Durch Gespräche mit Bewohner:innen aus Floridsdorf und Donaustadt wurden persönliche motivierende Faktoren zum Zu-Fuß-Gehen erhoben und in die Fußwegekarte einbezogen, um diese Motivation zum Zu-Fuß-Gehen weitertragen zu können (siehe hierzu auch Methode Aktivierende Befragung). Im Sinne der Verknüpfung von Fußverkehrsförderung mit identitätsstiftenden Themen, Orten und Geschichten im Bezirk wurden zusätzlich GEHschichten und GEHgenden geschaffen:

  • GEHschichten weisen auf Orte mit historischem Hintergrund hin. Sie decken Plätze, Gebäude, Parks und Institutionen ab. Die GEHschichten wurden durch die Projektdurchführenden auf Basis der Interviewergebnisse ausgewählt.
  • GEHgenden umfassen Gebiete unterschiedlicher Größe, die von Fußgänger:innen als besonders beliebt genannt wurden. Aufgrund der Größe der beiden Bezirke und der Problematik der geringen Reichweite des Fußverkehrs, wurde außerdem auf die Möglichkeit der Anreise mit dem öffentlichen Verkehr geachtet.

Weiters wurde ein topologischer Plan der Bezirksteile (angelehnt an Netzpläne im öffentlichen Verkehr) erstellt. Ziel war es die Gehdistanzen zwischen den Bezirksteilen (Knoten) besser abschätzbar zu machen, um eine genauere zeitliche Planung von Fußwegen mithilfe der Fußwegekarte zu ermöglichen.

© Mobilitätsagentur Wien / Christian Fürthner (2022)

Von Wegewürmern und Hausschlapfenradien

Die Distanz ist ein wesentlicher Faktor für die Entscheidung, ob ein Weg zu Fuß zurückgelegt wird, oder nicht. Oftmals werden Distanzen jedoch über- oder unterschätzt. Im Projekt LiDo geht wurde der Frage nachgegangen, wie diese Thematik für unterschiedliche Personen greifbar gemacht und einfach vermittelt werden kann. Entstanden sind dabei der LiDo-Bodenplan sowie „Wegewürmer“ und „Hausschlapfenradien“ als Tools für bewusstseinsbildende Interventionen im öffentlichen Raum.

Der LiDo-Bodenplan, ein begehbares Luftbild der beiden Bezirke (4 x 5 Meter, Maßstab 1:4000) soll interessierten Personen ein besseres Fassen des Raumes bzw. der räumlichen Beziehungen sowie der Maßstäblichkeit des Gebiets ermöglichen.

Begleitend wurden zwei Methoden der digitalen räumlichen Analyse in analoger Form umgesetzt. Der sogenannte „Wegewurm“, ein biegsamer Pfeifenputzer mit Styroporkugeln an beiden Enden, ermöglicht durch das Auflegen und laufende Verbiegen entlang einer gewählten Route ein besseres Verständnis für alltägliche Fußwege bzw. die Erreichbarkeit von unterschiedlichen Orten. Die Länge des Wegewurms wurde unter Annahme einer mittleren Gehgeschwindigkeit von 3,6 km/h auf eine Strecke von 30 Minuten am Bodenplan dimensioniert.

Weiters wurden „Hausschlapfenradien“, transparente übereinander legbare Scheiben für unterschiedliche Gehgeschwindigkeiten, erstellt. Durch Auflage des Zentrums des Hausschlapfenradius auf einen gewählten Punkt am Bodenplan, können damit die in Luftlinie zurücklegbare Distanz visualisiert und die unterschiedlichen Reichweiten verglichen werden.

Beide Methoden ermöglichen es den Stadtraum für die lokale Bevölkerung besser greifbar zu machen und alltägliche persönliche Wege und Distanzen miteinander in Kontext setzen zu können.

© tbw research (2022)

Gemeinsam Spazieren

Um ein Gefühl für die Möglichkeiten des Zu-Fuß-Gehen in den beiden Bezirken links der Donau zu erhalten, wurden im Rahmen des Projektes LiDo geht eine Reihe an gemeinsamen (Themen)Spaziergängen organisiert und durchgeführt (siehe hierzu auch Methode Fachspaziergänge) . Ein Beispiel hierfür ist der „12 Stunden LiDo“ Wandertag, der auf einer Strecke von mehr als 50km dazu einlud, die unterschiedlichen Gegenden und die Vielfalt der Bezirke Floridsdorf und Donaustadt zu erkunden. Ergänzendes Rahmenprogramm an diversen Raststationen sowie ein Stempelpass, motivierten Jung und Alt am gemeinsamen Zu-Fuß-Gehen.

© Mobilitätsagentur Wien / Christian Fürthner (2023)

Das Projekt LiDo geht – Links der Donau geht was weiter zeigt deutlich: Eine umfangreiche Einbeziehung der Bevölkerung kann viel bewirken und zu einer nachhaltigen Förderung des Fußverkehrs beitragen!

Beteiligte

Mobilitätsagentur Wien
tbw research GesmbH
STADTpsychologie

Förderungen

Auftraggeber:in: Mobilitätsagentur Wien

Quelle

[1] Raffler, C. & Simhandl, J. (2023): LiDo geht – Links der Donau geht was weiter. Endbericht zur Mobilitätsforschung und Fußverkehrsplanung. Endbericht. Wien: tbw research GesmbH. Zugriff am 11.03.2024. Verfügbar unter: https://www.wienzufuss.at/wp-content/uploads/sites/3/2023/11/2023_LiDo_geht_Ergebnisbericht_tbwr_final.pdf

[2] Griesbeck, M. & Ehmayer-Rosinak, C. (2022): Zusammenfassung der qualitativen Ergebnisse. Partizipative Ressourcen- und Potenzialanalyse des Fußwegenetzes in der Donaustadt und in Floridsdorf. Wien: STADTpsychologie. Zugriff am 11.03.2024. Verfügbar unter: https://www.wienzufuss.at/wp-content/uploads/sites/3/2022/11/22-06-20-Zusammenfassung-der-qualitativen-ERGEBNISSE-_-final.pdf

Links:

  1. Link zur Projektwebsite von LiDo geht
  2. Link zum Endbericht 1
  3. Link zum Endbericht 2
  4. Link zur GehCheck-App