Kritiker:innen für Transformation gewinnen. Lernen aus Planungsprozessen – Beispiel Wolfurt 

Begegnungszone Landesstraße Marktgemeinde Wolfurt
© Marktgemeinde Wolfurt
  1. Vorarlberg, Wolfurt 

Wolfurt schaffte es durch einfache Partizipations-Tools, Kritiker:innen aus der Verwaltung für eine Transformation zu gewinnen. Der Bürgerbeteiligungsprozess war ebenso eine Erfolgsgeschichte, die neuerliche Wiederwahl des Langzeitbürgermeisters kurz nach der Eröffnung der Begegnungszone ein starkes Zeichen der Zufriedenheit der Bevölkerung.  

Die Ortsdurchfahrt in Wolfurt ist eine Landesstraße und wurde im Anschluss an den Bau des Achraintunnels als flankierende Maßnahme zu einer Begegnungszone (BeZo) umgestaltet. Maßgeblich am Projekt beteiligt waren Gemeindepolitik, -verwaltung, Landesverwaltung, das e5-Team für energieeffiziente Kommunen und engagierte gemeinnützigen Organisationen. Ein ausgeklügeltes Beteiligungs- und Kommunikationskonzept sicherte, dass das Projekt von der Bevölkerung und Landesverwaltung mitgetragen wurde. Die Neugestaltung der Ortsdurchfahrt ermöglicht nicht nur ein sichereres Queren, auch der öffentliche Raum wurde attraktiver. 2015 erhielt die Gemeinde daraufhin den VCÖ-Mobilitätspreis „Wolfurter Weg“.   

Hintergrund 

Die Ortsdurchfahrt in Wolfurt ist eine Landesstraße, fungierte bis zur Fertigstellung der Umfahrung und des damit verbundenen Achraintunnels als Durchzugsstraße; auch für Schwerverkehr und teilte dementsprechend das Ortsgebiet in zwei Hälften. Im Rahmen des Baus des Achraintunnels ab 2004 sollte die Straße zur Begegnungszone (BeZo) umgestaltet werden. Jedoch musste Überzeugungsarbeit geleistet werden, da mit dem Vorhaben einer Begegnungszone auf einer Landesstraße rechtliches Neuland betreten wurde und demnach auch Landesverwaltungsdienststellen sowie Landespolitik einzubinden waren. Für die Umgestaltung bildete sich eine Arbeitsgruppe, um Projekte zu besprechen, welche sich aus der Umfahrung ergeben würden. Vor allem der Bürgermeister trieb das Projekt voran. In diesem Kontext wurden unterschiedliche Maßnahmen durchgeführt, um die Skeptiker:innen zu gewinnen. 

Beteiligte

  • Gemeinde Wolfurt (Verwaltung und Politik) 
  • Bürgermeister 
  • Gemeinderat für Mobilität und Raumplanung 
  • Landesverwaltung Vorarlberg 
  • Landespolitik: Unterstützung und positive Einwirkung, dass Wolfurt ein Pilotprojekt bekommen hatte und dadurch konnte durch Verordnung die BeZo umgesetzt werden.  
  • e5-Team – bestehend aus Gemeindemandatar:innen und Vertreter:innen aus Verwaltung – ist ein österreichweites Programm für energieeffiziente Kommunen
  • Martin Reis: Gemeinderat Raumentwicklung Verkehrsplanung, Energieinstitut Vorarlberg. 
  • Kantonaler Planer, durch ihn wurde eine gute Verbindung zu den anderen beiden wichtigen Akteuren im Straßenbau gefunden.   
  • Leiter der Abteilung Straßenbau   
  • Wirtschaftstreibende: Spar und Spardabank 
  • Arbeitsgruppe „Hofsteigader“ 
  • Ehrenamtliche Projektleitung Hofsteigader: Entlastung der Gemeinden durch Umfahrung. Arbeitsgruppe aus den Vertreter:innen der beteiligten Gemeinden und der Landesverwaltung, wie bspw. Abteilung Straßenbau. Sie treffen sich zweimal jährlich, um Projekte zu besprechen, welche sich aus der Umfahrung ergeben. Der Zusammenschluss besteht bald 20 Jahre.  

Möglichkeiten Skeptiker:innen in der Entstehungsphase zu gewinnen. 

Zunächst war es wichtig, dass die Gemeindeverwaltung geschlossen hinter der Projektidee stand, bevor an die Landesverwaltung herangetreten wurde. Deshalb wurden 2006 Exkursionen zu Referenzprojekten zu den Gemeinden Altach, Köniz (Vorbild Ortsdurchfahrt) und nach Biel (CH) (Zentralplatz) organisiert, um erfolgreich umgesetzte Begegnungszonen zu besuchen. Explizit sollten auch die Kritiker:innen aus Politik und Verwaltung an den Exkursionen zu den Referenzprojekten mitgenommen werden. Zentral dabei war die Übernachtung vor Ort, damit sich im Nachklang im informellen Rahmen die Teilnehmer:innen austauschen konnten. Es war ein fruchtbarer Prozess des gegenseitigen Lernens. Im Anschluss an die Exkursion stand die Gemeindepolitik und -Verwaltung hinter dem Projektvorhaben. Geschlossen wurde an die Landesverwaltung/ -Politik herangetreten und diese zu einer weiteren Exkursion eingeladen. Diese Methode wurde wiederholt. Der Gemeinde Wolfurt wurde der Pilotprojektstatus für eine Begegnungszone nach der Exkursion seitens des Landes Vorarlberg zugesprochen.  

Exkursionen sind in der Entstehungsphase eines Projektes Möglichkeiten voneinander zu lernen und Kritiker:innen in Politik und Verwaltung zu gewinnen. Die Grundlage für den Planungsprozess wurde somit geschaffen. 

Möglichkeiten Skeptiker:innen in der Planungsphase zu gewinnen.  

Das Schlüsselwort ist Transparenz. Kommunikation und Beteiligung schafft diese. Wolfurt ging diesbezüglich einen sehr engagierten Weg welcher kurz nach Fertigstellung 2014 der Begegnungszone mit der Wiederwahl des Bürgermeisters 2015 ein sehr erfolgreicher war. Bei zwei Bürger:innenversammlungen 2008 mit jeweils ca. 300 Besucher:innen wurde das Konzept und die Funktion sowie die Vorteile einer Begegnungszone erläutert. Die Bürger:innen konnten Feedback geben und ihre Bedenken äußern, welche stets aufgegriffen wurden, um Ängste und Befürchtungen zu nehmen. Im selben Jahr wurden zwei Planungswerkstätten mit Interessensgruppen und Bürger:innen durchgeführt, bei denen planungsspezifische Details besprochen wurden. 

Um möglichst viele Gruppen zu erreichen, wurde parallel eine moderierte Onlineplattform eingerichtet. Kurz vor Baubeginn 2014 erläuterte der Bürgermeister die Projekte mit Bewirtung bei sechs Ortsteilgesprächen in den Quartieren vor Ort. Zusätzlich wurden u.a. der Pensionistenverband eingebunden, um vor Ort die richtige Nutzung der Begegnungszone zu erklären. 

Kommunikation und Beteiligung als Erfolgskonzept 

Angewandte Kommunikations- und Beteiligungsmethoden

Entstehungsphase

  • Für Beteiligungsstrategie entsprechende finanzielle Ressourcen und Expertise 
  • Exkursionen mit Akteur:innen aus Politik und Verwaltung  

Planungsphase

  • Zwei Bürger:innenversammlungen 
  • Zwei Planungswerkstätten 
  • Moderierte Onlineplattform 
  • Sechs Ortsteilgespräche 

Das Kommunikations-, Beteiligungs- und Lernkonzept war erfolgreich, weil die Begegnungszone nicht nur angenommen wurde, sondern auch von den Bewohner:innen mitgetragen wird. Letztendlich konnten die Akteur:innen aus den unterschiedlichen Verwaltungsebenen durch die Exkursionen zu Referenzprojekten ganz am Anfang des Projektes sensibilisiert werden. Die Exkursionen als Lern- und Beteiligungs-Tool trugen dazu bei, dass die Kritiker:innen aus der Verwaltung zu Fürsprecher:innen wurden. Sie konnten dadurch für das Transformationsprojekt gewonnen werden. Die Bevölkerung identifiziert sich mit der Begegnungszone, die Landesverwaltung trug das Projekt mit und der Bürgermeister wurde wiedergewählt; das Projekt kann demnach als Erfolg auf vielen Ebenen verbucht werden. 

Eröffnung Begegnungszone Marktgemeinde Wolfurt
© Marktgemeinde Wolfurt