Narrative gewinnen in der Stadtentwicklung zunehmend an Bedeutung. Sie machen Ziele eines Projekts nachvollziehbar und fördern die Akzeptanz. Der Artikel beleuchtet, wie Narrative als Schlüssel zur erfolgreichen Transformation öffentlicher Räume dienen und welche Faktoren ihren Erfolg bestimmen.
In der Stadtentwicklung bzw. im Rahmen von Mobilitätsprojekten zur Transformation öffentlicher Räume hat der Prozess der Narrativentwicklung in den letzten Jahren entscheidend an Bedeutung gewonnen. Ein Narrativ ist eine konsistente Erzählung, die die Vision, die Ziele und die Werte eines Projekts vermittelt und in einen übergeordneten Kontext setzt, der von besonderer Bedeutung für Entscheidungsträger:innen, Stakeholder bzw. die gesamte Kommune ist. Für Mobilitätsprojekte im öffentlichen Raum, die häufig mit umfangreichen Veränderungen und Anpassungen einhergehen, ist ein starkes und im Idealfall partizipativ erarbeitetes Narrativ essenziell, um breite Akzeptanz und Unterstützung zu gewinnen.
Die Rolle von Narrativen in der Transformation öffentlicher Räume
Basis der Kommunikation und Förderung des Verständnisses
- Mobilitätsprojekte im öffentlichen Raum sind oft technisch und organisatorisch komplex und betreffen zahlreiche Interessengruppen. Ein klar formuliertes Narrativ hilft, die mit dem Projekt verbundene Vision in einfache, nachvollziehbare Begriffe zu fassen.
- Ein Narrativ schafft klare Erwartungen darüber, was im Rahmen eines Projekts erreicht werden soll und wie die Ergebnisse aussehen könnten.
- Ein Narrativ vermittelt eine interessante, leicht verständliche Erzählung rund um ein Projekt, baut Nähe zur Region oder Kommune, den Menschen und Ihren Werten auf und hebt das Projekt in eine neue Bedeutungsdimension. Das Transformationsprojekt wird in einen Konnex gesetzt, der über den eigentlichen Nutzen der Umgestaltung hinausgeht. Dabei können Nebenaspekte eine vorrangige Bedeutung bekommen oder ganz neue Aspekte hinzukommen. Diese können zu den Säulen des Narrativs werden und das Umgestaltungsprojekt in eine ganzheitlichere Betrachtung setzen.
- Ein Narrativ beschreibt idealer Weise auch den gesellschaftlichen Nutzen des Projekts, der über die eigentliche Leistung der Umgestaltung hinausgeht und vermittelt einen einfach verständlichen und auch emotional spürbaren Zusatznutzen. Das Projekt wird gewisser Maßen im Idealfall zum Anliegen der ganzen Kommune. Ein Narrativ sollte immer bei den Werten der Gemeinde oder Region ansetzen und unterstützt, soziokulturelle Kräfte zur Entfaltung zu bringen.
Engagement und Akzeptanz
- Ein überzeugendes Narrativ soll eine breite Öffentlichkeit und andere wichtige Stakeholder:innen für ein Projekt begeistern. Durch die Vermittlung ergänzender Vorteile und positiver Auswirkungen auf die Gemeinschaft, wird die Bereitschaft zur Unterstützung und Teilnahme gefördert.
- Ein Narrativ kann helfen, ein Gefühl der Zugehörigkeit und des gemeinsamen Ziels zu schaffen. Es ermöglicht den Menschen, sich mit dem Projekt zu identifizieren und es als einen wichtigen Bestandteil der anstehenden lokalen oder regionalen Entwicklung zu betrachten.
Förderung der notwendigen Veränderungen
- Öffentliche Räume sind oft tief in der kulturellen und sozialen Identität einer Stadt oder einer Gemeinde verwurzelt. Veränderungen stoßen im Regelfall auf Widerstand. Ein starkes Narrativ hilft, die Notwendigkeit des Wandels zu erklären und die übergeordneten Vorteile hervorzuheben, wodurch Widerstände überwunden oder zumindest deutlich reduziert werden können.
- Ein Narrativ kann die langfristigen Vorteile bzw. die nachhaltigen Ziele eines Mobilitätsprojekts hervorstreichen und leicht verständlich vermitteln. Dies ist entscheidend, um die Unterstützung für ein Projekt zu sichern, das möglicherweise kurzfristig empfundene Unannehmlichkeiten mit sich bringt (z.B. der Wegfall von Parkplätzen), aber langfristig erhebliche Vorteile bietet.
Erfolgsfaktoren für eine Narrativentwicklung
- Ein Narrativ sollte klar, konsistent und einfach verständlich sein. Es muss die Kernbotschaften des Projekts auf den Punkt bringen und eine neue Perspektive auf das Projekt ermöglichen, die die Wirkung des Projekts in einer größeren Dimension unterstreicht sowie in allen Kommunikationskanälen einheitlich dargestellt werden.
- In allen Gesellschaften gibt es einen breiten Konsens zu den wesentlichsten Werthaltungen – ein Narrativ sollte darauf aufbauen, um gesellschaftliche Verbundenheit im Projektkontext zu ermöglichen.
- Möglichst alle Betroffenen (Politik, Verwaltung, Planung, ggf. auch die Bevölkerung) sollten aktiv in die Entwicklung des Narrativs einbezogen werden. Dies kann durch öffentliche Beteiligung, Workshops und Befragungen erreicht werden.
- Ein Narrativ muss authentisch und glaubwürdig sein. Es sollte auf realistischen Annahmen basieren und mit den tatsächlichen Herausforderungen und Chancen des Projekts übereinstimmen.
- Das Narrativ wird entweder zum Projektnamen oder wird, wie ein Motto, als primäre Botschaft an das Projekt angeheftet. Für eine entsprechend prominente Etablierung des Narrativs ist zu sorgen – in so gut wie allen Schritten der Projektarbeit, im Speziellen jedoch in allen Schritten der Kommunikation.
- Ein überzeugendes Narrativ nutzt visuelle und vor allem auch emotionale Elemente, um die Botschaft zu verstärken. Geschichten von Menschen, die direkt von dem Projekt profitieren, sowie ansprechende Visualisierungen können die Erzählung lebendig und einprägsam machen.
- Es lohnt sich, mehrere Narrative zu entwickeln und deren Auswirkung in Szenarien durchzuspielen bzw. deren Vor- und Nachteile bzw. Eignung und Priorisierung im Zuge eines Workshops mit breiter Vielfalt an Beteiligten herauszuarbeiten.
- Für die Entwicklung eines Narrativs empfiehlt es sich, erfahrene Kommunikator:innen schon zu Beginn der Projektentwicklung ins Team zu holen.
Beispiel: Äußere Bahnhofstraße Klagenfurt
Mit der Eröffnung der Koralmbahn wird die äußere Bahnhofstraße als Verbindung vom Bahnhof zur Innenstadt von Klagenfurt weiter an Bedeutung gewinnen. Im Rahmen des Forschungsprojekts ACCTRA wird erarbeitet, wie die äußere Bahnhofstraße zukunftsfit gemacht werden kann. Hierbei ist das Narrativ „Tor zur Stadt“ entstanden – ein Narrativ, das von allen Stakeholder:innen sehr positiv gesehen wird, Perspektiven eröffnet, Klarheit schafft und damit die Arbeit im Projekt bzw. die Zusammenarbeit mit Politik, Verwaltung und Nutzer:innen substanziell unterstützt.
Mit „Tor zur Stadt“ geht das Projekt plötzlich alle an – die Bahnhofstraße bekommt mit diesem Konnex eine Bedeutungsdimension „wichtig für die ganze Stadt“ bzw. geht es auch um den guten Ruf der Stadt: „Für das Entree in unsere Stadt soll man sich nicht genieren, darauf sollten wir stolz sein können!“
Beispiel: Identitätsprozess in Hohenems
Die Umgestaltung des Zentrums von Hohenems zu einer Begegnungs- und Fußgängerzone stand am Ende eines Identitätsprozesses, in dem gemeinsam mit der Bevölkerung eine Vision und ein Narrativ für die Zukunft der Stadt entwickelt wurden. Hier war nicht nur das Ergebnis wichtig (Hohenems steht für „Inspiration“) sondern vor allem der großangelegte Prozess, bei dem ganz Hohenems eingebunden war, ein gemeinsames Zielbild erarbeitet wurde, wohin sich die Stadt entwickeln will. Diese Zukunftserzählung tragen die Hohenemser in ihren Köpfen und Herzen. Die konkrete Verkehrsberuhigungsmaßnahme war dann die logische Konsequenz, bei der es „nie große Diskussionen bei uns gegeben hat“, so Bürgermeister Dieter Egger. Mehr Informationen dazu gibt es im Interview mit Bürgermeister Dieter Egger.
Fazit
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die Entwicklung und professionelle Kommunikation eines starken Narrativs ein wesentlicher und nicht mehr wegzudenkender Bestandteil erfolgreicher Mobilitätsprojekte im öffentlichen Raum ist. Es dient als verbindendes Element, das möglichst alle Betroffenen auf eine gemeinsame Vision einschwört. Durch klare und ehrliche Kommunikation, Einbindung der Gesellschaft und Authentizität kann ein Narrativ helfen, die Akzeptanz und Unterstützung für die Transformation öffentlicher Räume zu sichern und damit die Basis für nachhaltige Veränderungen zu sein.