How To Superblock: Verkehrsberuhigung und Aufenthaltsqualität

Diagonalfilter
© Stadt Wien/G. Götzenbrucker

Mit der Umsetzung eines Superblocks wird ein umfassender Transformationsprozess zur Umgestaltung des Straßenraums angestoßen. Was genau sind Superblocks? Wie ist der Weg von Theorie in die Praxis und welche Schritte für die Umsetzung gibt es? Am Beispiel der Stadt Wien gibt der Blogbeitrag einen Überblick dazu, worauf bei der Realisierung von Superblocks zu achten ist.

Was ist ein Superblock?

In den letzten Jahren hat das Konzept der „Superblocks“ aus Barcelona auch in anderen europäischen Städten an Aufmerksamkeit gewonnen. In der Stadt Wien entsteht mit dem Supergrätzl Favoriten bis Herbst 2025 der erste Superblock Österreichs. Das Supergrätzl ist ein Konzept für Stadtgebiete, die größer als ein Baublock und kleiner als ein Bezirk sind. Daher ist das Konzept auch in Kleinstädten anwendbar. Durch eine zielgerichtete Neuorganisation des Verkehrs und Neuverteilung von Flächen entstehen Möglichkeiten für die Planung und Gestaltung öffentlicher Räume: Klimaanpassungsmaßnahmen, Entsiegelung und Begrünung, Aufenthaltsqualität und mehr Miteinander im Grätzl [1].

Beim Superblock-Konzept werden mehrere Blöcke zusammengefasst (s. Abb. 1). Die nach außen abgrenzenden Straßenzüge sind Hauptachsen, auf denen der motorisierte Individualverkehr (MIV) konzentriert ist. Hier befinden sich in der Regel auch Linien sowie Stationen des öffentlichen Verkehrs. Die Straßen innerhalb des Gebiets werden verkehrsberuhigt und umgestaltet. Der Durchzugsverkehr wird durch ein System von Einbahnstraßen und Diagonalfiltern mittels Maßnahmen wie z.B. Poller, Pflanzentrögen, etc. unterbunden. Eine Möglichkeit zur Zufahrt von Haus- und Garageneinfahrten bleibt gewährleistet.

Abbildung 1: Vergleich Ausgangssituation und Supergrätzl-Konzept

Vergleich Ausganssituation und Supergrätzl-Konzept
© studio LAUT auf Basis SUPERBE-Projekt & BCN-Ecologia

Insbesondere für die dicht bebaute Bestandsstadt mit hoher Bevölkerungsdichte und geringerem Grünraumanteil hat der Planungsansatz Potenzial. Auf Basis der neuen Verkehrsorganisation kann eine Neuverteilung des öffentlichen Raumes erfolgen und ein umfassender Transformationsprozess angestoßen werden, der weit über reine verkehrsorganisatorische Maßnahmen hinausgeht. Einbahnführungen können beispielsweise den Bedarf an Fahrstreifen verringern, geringere Geschwindigkeiten erlauben schmalere Fahrbahnen, Parkplätze lassen sich umnutzen, und durch niveaugleiche Gestaltung kann die gesamte Straßenbreite neugestaltet werden. Auch in den Kreuzungsbereichen reduziert sich durch die Einbahnschleifen die notwendige Fläche für Fahrbahnen. Mit der Umsetzung von Diagonalfiltern in den Kreuzungen können außerdem Gehsteigvorziehungen vorgenommen werden. Der so gewonnene Freiraum schafft Platz für Begrünungs- und Gestaltungsmaßnahmen zur Erhöhung der Aufenthaltsqualität im Grätzl.

Schritte zum Superblock in 4 Phasen

Prozessablauf zur Realisierung von Superblocks
© Tune Our Block

Abbildung 2: Idealtypischer Prozess zur Realisierung von Superblocks [2]

In der ersten Phase „Futuring“ wird eine gemeinsame Vision entwickelt und abgestimmt, Commitment mit politischen Akteur:innen, der Bevölkerung und der lokalen Wirtschaft.

In der zweiten Phase „Planning“ werden Schritte zur Konkretisierung der Vision gesetzt. Planung auf zwei Ebenen:

  1. Umsetzung von einzelnen Projekten/Superblocks
  2. Stadtweites Konzept zur Skalierung von Superblocks

In Phase 3 „Piloting“ wird die Realisierung eines Superblocks erprobt. Das bedeutet, dass an einem konkreten Standort demonstriert wird wie das Superblock-Konzept in der Praxis umgesetzt werden kann. Dadurch entsteht gleichzeitig ein Möglichkeitsraum für innovative Maßnahmen und räumliche Interventionen. Gewonnene Erkenntnisse aus der Phase „Piloting“ werden in die Phase „Planning“ rückgespielt. Die gewonnenen Erkenntnisse aus der Pilotierung sind eine Grundlage für die Entwicklung eines stadtweiten Konzepts zur Skalierung von Superblocks sowie für die Realisierung weiterer Superblocks.

In der Phase 4 „Institutionalizing“ wird die Ausweitung und Verstetigung des Konzepts forciert. Basierend auf den Erfahrungen aus der Planung und Pilotierung kann eine Ausrollung erfolgen, mit dem Ziel, dass insbesondere die bereits gebaute Stadt klimafit – mit Maßnahmen für Klimaschutz und Klimaanpassung – umgebaut und erneuert wird.

Keine „one-size-fits-all“-Lösung für Superblocks

Für die Umsetzung von Superblock-Projekten gilt, dass es keine one-size-fits-all Lösung gibt. Die Umsetzung variiert abhängig vom Standort und lokalen Rahmenbedingungen. Die Konzipierung von Superblocks ist u.a. abhängig von

  1. Gebietsgröße
  2. Geplantes Ausmaß an Klimaanpassungsmaßnahmen
  3. Geplantes Ausmaß an Verkehrsberuhigungsmaßnahmen
  4. Budget, Finanzierungsmöglichkeiten


Wesentlich im Prozess ist, möglichst früh die Rahmenbedingungen abzustecken, insbesondere hinsichtlich der Finanzierbarkeit von Maßnahmen. Auch die Frage, ob bei einem Superblock alle Maßnahmen gleichzeitig baulich umgesetzt werden müssen oder ob die Umsetzung schrittweise erfolgen kann, ist zu klären.

Dabei zeigt sich: Auch wenn das Superblock-Konzept im größeren Stil bisher eher in Großstädten Anwendung findet, können die Prinzipien auch in kleineren Städten und Gemeinden umgesetzt werden. Das grundlegende Prinzip der Umsetzung einer flächenhaften Verkehrsberuhigung durch eine neue Verkehrsorganisation zur Unterbindung des Durchzugsverkehrs findet sich, teilweise unter anderem Namen, auch in kleineren und mittelgroßen Städten (z.B. „Circulation Plan“ in Ghent, „Woonerf“ in Lodz, Superblocks in Vitoria-Gasteiz).

Von der Theorie in die Praxis: Schritte zur Umsetzung eines Superblocks anhand des Beispiels Stadt Wien, Supergrätzl Favoriten

Wie kann eine Umsetzung von Superblocks in der Praxis aussehen? Um einen exemplarischen Umsetzungspfad darzustellen werden im Folgenden die Umsetzungsschritte des Supergrätzl Favoriten schematisch skizziert.

Strategische Standortentscheidung

Zu Beginn des Prozesses wurde ein geeignetes Gebiet für die Umsetzung eines Superblocks identifiziert. In der Stadt Wien erfolgt die Auswahl von Potenzialgebieten für Supergrätzl unter anderem anhand von Bedarfen und Potenziale [1]. Relevante Faktoren sind eine hohe Gebäude- und Bevölkerungsdichte, Grünraumanteil, sommerliche Überwärmung und Motorisierungsgrad. Weiters können in Gebiete mit geplanten Projektvorhaben (z.B. Fernwärme- oder ÖV-Ausbau) Synergien genutzt werden.

Machbarkeit untersuchen

Für die Umsetzung des Supergrätzl Favoriten wurde im ersten Schritt für das ausgewählte Potenzialgebiet eine Machbarkeitsuntersuchung durchgeführt [3]. Weiters ist eine räumliche und verkehrliche Bestandsanalyse erfolgt, darauf aufbauend wurde ein Verkehrskonzept entwickelt, um zu prüfen welche verkehrsorganisatorischen Maßnahmen (z.B. Einbahnschleifen, Modal- und Diagonalfilter, Fahrbahnanhebungen, Fußgänger:innen- oder Begegnungszonen) sich innerhalb des Gebietes eignen. Das Ergebnis war ein abgestimmtes Verkehrskonzept, das die Durchlässigkeit des Straßennetzes für den motorisierten Individualverkehr begrenzt und gleichzeitig Formen der aktiven Mobilität ermöglicht. Zudem lieferte das Verkehrskonzept einen ersten Überblick, wo und wie viele Stellplätze im öffentlichen Raum reduziert und für anderweitige Raumnutzungen, wie etwa Begrünung, zur Verfügung stehen. Basierend auf dem Verkehrskonzept wurde ein Freiraumkonzept für das Gebiet entwickelt, um die Potenziale für blaue und grüne Infrastruktur sowie taktische bzw. bauliche Maßnahmen aufzuzeigen. Eine Baumpotenzialanalyse innerhalb des Gebiets wurde durchgeführt.

Im Zuge der Erstellung der Machbarkeitsuntersuchung wurden lokale Stakeholder und Kooperationspartner:innen eingebunden. Die lokalen Stakeholder konnten ihr lokales Wissen einbringen und im Rahmen eines Beteiligungsprozesses als Multiplikator:innen fungieren. Für die Pilotphase wurde in Folge ein partizipativer/co-kreativer Prozess entwickelt, bei dem Anrainer:innen und Nutzer:innen ihre Wünsche und Bedürfnisse für die Umgestaltungen einbringen konnten.

Detailplanung und Umsetzung

Im Supergrätzl Favoriten erfolgte die Umsetzung in zwei Phasen. In der Pilotphase (Juni bis Oktober 2022) wurde eine neue Verkehrsorganisation verordnet, temporäre Maßnahmen mit räumlichen Interventionen umgesetzt und für Bewohner*innen und Interessierte verschiedene Informations- und Beteiligungsformate durchgeführt (u.a. Straßenlabore und -fest mit Marktplätzen zur Diskussion von Planungen, Befragung von Anwohner:innen, Passant:innen, sowie Gewerbetreibenden, aktivierende Befragung). Im Kernbereich des Gebiets wurde in der Pilotphase eine Fußgängerzone verordnet, die u.a. mit farblichen Bodenmarkierungen, mobilen Grün und Sitzgelegenheiten gestaltet wurde. Die Diagonalfilter wurden mittels umfunktionierter Betonringe umgesetzt. Sie kamen einst auf der Donauinsel als Abfallbehälter zum Einsatz und wurden im Sinne der Kreislaufwirtschaft zu einem Pflanzentrog upgecylcet.

Die Ergebnisse aus der Beteiligung bildeten die Grundlage für die Detailplanung und bauliche Umsetzung. Im Zuge der baulichen Umgestaltung werden im Gebiet Klimaanpassungsmaßnahmen umgesetzt: mehr als 60 neue Bäume, 11 Mikrofreiräume, 59 Sitzmöglichkeiten, 20 Wasserelemente sowie 6 Spielgeräte und 4 Pergolen zur Beschattung installiert. Rund 280 neue Radabstellplätze werden errichtet, davon sind 32 für Lastenräder vorgesehen. Die Fertigstellung ist für Herbst 2025 geplant.

Quellen:

  1. [1] Stadt Wien – Stadtentwicklung und Stadtplanung (2022). Das Supergrätzl. Wiener Straßenräume transformieren.
    URL: https://smartcity.wien.gv.at/wp-content/uploads/sites/3/2022/08/Supergraetzl_Infobroschuere-1.pdf, abgerufen am 28.03.2025
  2. [2] Bauer, U., Ruhrort, L. et al. (2024): Superblocks – zwischen Verkehrsberuhigung und nachhaltiger Transformation des öffentlichen Raumes Ergebnisse des Forschungsprojekts TuneOurBlock.
    URL: https://difu.de/publikationen/2024/superblocks-zwischen-verkehrsberuhigung-und-nachhaltiger-transformation-des-oeffentlichen-raumes, abgerufen am 28.03.2025
  3. [3] Stadt Wien (2025). Supergrätzl Favoriten – Weniger Verkehr, Mehr grün.
    URL: https://www.wien.gv.at/stadtplanung/supergraetzl-favoriten, abgerufen am 28.03.2025